I. Allgemeines zum Zugang zum BGH
In Zivilsachen und in verwandten Streitigkeiten auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes führen drei Rechtsmittel zum Bundesgerichtshof: Die Revision (einschließlich der Sprungrevision) mit der Anschlussrevision, die Nichtzulassungsbeschwerde und die Rechtsbeschwerde mit der Anschlussrechtsbeschwerde.
1. Revision und Anschlussrevision
Die Revision findet gegen ein Berufungsurteil nach § 543 Abs. 1 ZPO statt, wenn sie entweder das Berufungsgericht in dem anzufechtenden Urteil oder der Bundesgerichtshof auf Beschwerde gegen ihre Nichtzulassung (Nichtzulassungsbeschwerde) zugelassen hat. Diese Regelung gilt seit dem 01.01.2002 für alle Verfahren, mit Ausnahme derjenigen in Familiensachen (dazu unten VII.). Unerheblich ist, ob das Berufungsurteil von einem Landgericht (§ 72 GVG) oder einem Oberlandesgericht (§ 119 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 GVG) erlassen worden ist. Daneben gibt es die Sprungrevision gegen alle im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile, die ohne Zulassung der Berufung unterliegen. Soweit danach die Revision stattfindet, kann sich der Revisionsbeklagte der Revision mit der Anschlussrevision anschließen.
2. Nichtzulassungsbeschwerde
Der Nichtzulassungsbeschwerde unterliegen mit den sich aus § 544 Abs. 2 (dazu unten IV. und VII.1.) ergebenden sowie den unten unter V. aufgezeigten Einschränkungen sämtliche Berufungsurteile, gegen die nicht schon das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat. Eine Anschlussnichtzulassungsbeschwerde gibt es nicht; der Nichtzulassungsbeschwerdegegner muss daher, wenn das Berufungsurteil auch ihn beschwert und er diese Beschwer beseitigen will, seinerseits selbständig Nichtzulassungsbeschwerde einlegen. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde anfechtbar sind auch Zurückweisungsbeschlüsse nach § 522 Abs. 2 ZPO.
3. Rechtsbeschwerde und Anschlussrechtsbeschwerde
Die Rechtsbeschwerde richtet sich gegen Beschlüsse der Vorinstanz. Sie ist für das allgemeine Zivilverfahren in den §§ 574 ff. ZPO geregelt; für Verfahren nach dem FamFG in den §§ 68 ff. dieses Gesetzes. Für die Rechtsbeschwerde auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes finden sich Sonderregelungen in den §§ 23 GeschmacksmusterG, 100 PatG, 83 MarkG. Verwiesen sei ferner auf die Beschwerde nach § 17a GVG. Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich der Rechtsbeschwerde mit der Anschlussrechtsbeschwerde anschließen.
4. Außerordentliche Beschwerde
Abgeschafft ist die sofortige Beschwerde zum Bundesgerichtshof und die früher gegebene Möglichkeit einer außerordentlichen Beschwerde zum BGH (zu letzterer BGH, Beschlüsse vom 07.03.2002 – IX ZB 11/02 und vom 23.07.2003 – XII ZB 91/03).
II. Das Verfahren vor dem BGH in Zivilsachen und verwandten Verfahren
Beim Verfahrensablauf ist zwischen der Rechtsbeschwerde und der Nichtzulassungsbeschwerde einerseits und der Revision andererseits zu unterscheiden.
1. Verfahren mit mündlicher Verhandlung
Stets mündlich verhandelt werden lediglich die vom Bundesgerichtshof auf die Nichtzulassungsbeschwerde hin zugelassene Revision und die von ihm zugelassene Sprungrevision. Für die vom Berufungsgericht zugelassene Revision ist ebenfalls die mündliche Verhandlung vorgesehen; nach dem durch das 1. Justizmodernisierungsgesetz eingeführten § 552a ZPO kann der BGH indes die vom Berufungsgericht zugelassene Revision durch einstimmigen Beschluss – also ohne mündliche Verhandlung – zurückweisen, wenn er davon überzeugt ist, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat (dazu BGH, Beschluss vom 20.01.2005 – I ZR 255/02). Vor diesem Zurückweisungsbeschluss ist den Parteien Gelegenheit zur schriftsätzlichen Stellungnahme zu geben. Ebenfalls mündlich zu verhandeln sind die nach § 70 Abs. 1 FamFG statthaften – also von der Vorinstanz zugelassenen – Rechtsbeschwerde in Familien- und Ehesachen, §§ 74 Abs. 4, 113 Abs. 1 FamFG, 128 ZPO.
2. Schriftliche Verfahren
Alle anderen Verfahren laufen schriftlich ab. Dabei kommt es in der Praxis nur zu einem einmaligen Schriftsatzwechsel: Der Rechtsmittelführer legt die schriftliche Rechtsmittelbegründung vor, der Rechtsmittelgegner kann darauf schriftsätzlich erwidern. Anschließend trifft der zuständige Senat seine Entscheidung. In dem Verfahren der Rechtsbeschwerde ist dies der verfahrensabschließende Beschluss; gleiches gilt im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen oder der Nichtzulassungsbeschwerde wegen der von ihr erhobenen Rüge einer Verletzung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach § 544 Abs. 9 ZPO stattgegeben wird.
3. Wie soll sich der Rechtsmittelgegner verhalten?
Der Rechtsmittelgegner sollte einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt (zum Anwaltszwang unten III.) mandatieren, sobald ihm die Rechtsmittelbegründungsschrift des Rechtsmittelführers zugestellt worden ist. Dies aus drei Gründen. Zum einen beginnt mit der Zustellung der Rechtsmittelbegründungsschrift die Frist für das Anschlussrechtsmittel (dazu VIII.). Zum anderen kann er nur auf diese Weise die Beratung des BGH über die weitere Behandlung der Sache beeinflussen. Diese Möglichkeit der Beeinflussung des weiteren Verfahrens sollte der Rechtsmittelgegner sich nicht entgehen lassen. Für die schriftlichen Verfahren wie die Rechtsbeschwerde und die Nichtzulassungsbeschwerde versteht sich das von selbst: Wer dort dem BGH seine Argumente nicht unterbreitet hat, kann nicht damit rechnen, dass sie vom BGH bei der Entscheidung über das Rechtsmittel des Gegners berücksichtigt werden. Bei der Nichtzulassungsbeschwerde kommt hinzu, dass in der Regel die Nichtzulassungsbeschwerdebegründung zugleich die Revisionsbegründung beinhaltet (§ 551 Abs. 2 Satz 2 ZPO) und die Revisionszulassung deshalb auf die Nichtzulassungsbeschwerde hin in gewissem Sinne präjudizielle Wirkung für das Revisionsverfahren selbst hat. Die rechtzeitige Mandatierung eines BGH–Anwalts empfiehlt sich aber auch im Falle einer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision: Wer in solch einem Revisionsverfahren als Revisionsbeklagter erst kurz vor der mündlichen Verhandlung einen BGH–Anwalt mandatiert, muss damit rechnen, dass der Senat seine Sache zu diesem Zeitpunkt bereits allein auf der Grundlage der gegnerischen Revisionsbegründung vorberaten hat und der von ihm erst danach beauftragte BGH–Anwalt in der mündlichen Verhandlung gegen das Vorberatungsergebnis ankämpfen muss. Zum dritten können etwaige Verfahrensgegenrügen wirksam nur durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt erhoben werden. Solche Gegenrügen des Rechtsmittelgegners – sei es bei der Nichtzulassungsbeschwerde, sei es bei der Revision, sei es bei der Rechtsbeschwerde – können unter Umständen für den Ausgang des Verfahrens vor dem Bundesgerichtshof von ausschlaggebender Bedeutung sein.
4. Was prüft der BGH?
In allen Verfahren vor dem BGH findet ausschließlich eine Rechts– und Verfahrenskontrolle statt. Der Prozessstoff ist der der Vorinstanz, die Parteien können also vor dem BGH keine neuen Tatsachen vortragen. Was also bis zum Abschluss der Vorinstanz nicht vorgetragen worden ist, bleibt auch vor dem BGH unberücksichtigt.
5. Begründet der BGH seine Entscheidungen?
Die Entscheidungen des BGH im Verfahren der Revision werden ausführlich begründet. Gleiches gilt in Rechtsbeschwerdesachen, wenn die Rechtsbeschwerde vom Ausgangsgericht zugelassen worden ist oder wenn der BGH sie für zulässig erachtet (dazu unten VI.). Dagegen begnügt sich der BGH bei seinen Entscheidungen über eine Nichtzulassungsbeschwerde regelmäßig mit einer Formelbegründung, die nicht erkennen lässt, auf welchen Erwägungen seine in diesem Verfahren ergangene Entscheidung beruht (dazu BGH, Beschluss vom 19.01.2004 – II ZR 18/02). Gleiches gilt gem. § 577 Abs. 6 ZPO auch in Rechtsbeschwerdeverfahren, wenn die Rechtsbeschwerde nicht vom Ausgangsgericht zugelassen ist und der BGH selbst ihre Zulässigkeitsvoraussetzungen verneint.
6. Verfahrensdauer
Für die Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde benötigt der BGH im Schnitt zwischen sechs und achtzehn Monaten; hat die Nichtzulassungsbeschwerde Erfolg und schließt sich ein Revisionsverfahren an, dauert dieses Revisionsverfahren durchschnittlich noch einmal zwölf Monate. Bei Rechtsbeschwerden liegt die durchschnittliche Verfahrensdauer bei etwas mehr als sechs Monaten. Allerdings bestehen zwischen den einzelnen Senaten erhebliche Unterschiede.
7. Wie sind die Erfolgschancen vor dem BGH?
Die Nichtzulassungsbeschwerden, die vom BGH sachlich verbeschieden werden, führen im Schnitt zu nur 10-15% zur Revisionszulassung durch den BGH. Von diesen vom BGH zugelassenen Revisionen haben im Schnitt rund 80 % Erfolg. Bei den Rechtsbeschwerden beträgt die Erfolgsquote – bezogen wiederum auf die sachlich verbeschiedenen Rechtsbeschwerden – knapp unter 50 %, bei den vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen knapp über 40%.
III. Anwaltszwang
Für die Nichtzulassungsbeschwerde, die Rechtsbeschwerde und die Revision (einschließlich der Sprungrevision) besteht vor dem Bundesgerichtshof Anwaltszwang, §§ 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO, 10 Abs. 4 FamFG. Eine Ausnahme gilt nach § 10 Abs. 4 FamFG in FamFG-Sachen für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts.
IV. Wertgrenzen
1. Revision, Rechtsbeschwerde und Anschlussrechtsmittel
Die Revision setzt zwar – wie jedes Rechtsmittel – voraus, dass der Rechtsmittelführer durch die angefochtene Entscheidung beschwert ist. Eine bestimmte Wertgrenze besteht jedoch nicht. Gleiches gilt für die Rechtsbeschwerde (BGH, Beschlüsse vom 04.09.2002 – VIII ZB 23/02; vom 19.09.2002 – V ZB 31/02). Auch für die Anschlussrechtsmittel – Anschlussrevision und Anschlussrechtsbeschwerde – besteht zwar das Erfordernis einer Beschwer; sie sind jedoch gleichfalls nicht an das Überschreiten einer bestimmten Wertgrenze gebunden.
2. Nichtzulassungsbeschwerde
Die Nichtzulassungsbeschwerde erfordert nach § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO in der Fassung des Gesetzes zur Regelung der Wertgrenze für die Nichtzulassungsbeschwerde in Zivilsachen etc. vom 12.12.2019 (Bundesgesetzblatt 2019 Teil I Nr. 50, Seite 2633), dass der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000,00 € übersteigt; etwas anderes gilt nach § 544 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nur dann, wenn das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat. Mit dieser Neuregelung ist die Übergangsregelung des § 26 Nr. 8 EGZPO a. F. zur Dauerregelung geworden. Die zu § 26 Nr. 8 EGZPO a. F. ergangene Rechtsprechung des BGH ist deshalb weiterhin maßgeblich: Das Übersteigen dieser Wertgrenze ist mit der Nichtzulassungsbeschwerdebegründung glaubhaft zu machen; die Streitwertfestsetzung im Berufungsurteil ist dabei unerheblich (BGH, Beschluss vom 25.07.2002 – VI ZR 118/02). Für die Wertgrenze ist nämlich nicht die Beschwer aus dem Berufungsurteil maßgebend, sondern der Wert des Beschwerdegegenstandes aus dem beabsichtigten Revisionsverfahren (BGH, Beschluss vom 27.06.2002 – V ZR 148/02). Entsprechendes gilt im Falle der Zurückweisung einer Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO. Einige Besonderheiten sind zu beachten:
a) Bezifferte Klagen
Verhält sich das Berufungsurteil zu einer bezifferten Leistungsklage, richtet sich der Wert der Beschwer nach dem ausgeurteilten oder abgewiesenen Betrag, soweit er mit der beabsichtigten Revision weiter bekämpft oder weiter verfolgt werden soll.
b) Unbezifferte Klagen
Bei unbezifferten Klagen ist die Beschwer der unterlegenen Partei zu schätzen. Für die Schätzung kommt es im Hinblick auf § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO allein auf den Tatsachenvortrag der Parteien zum Wert der Sache an, den sie bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zweiter Instanz oder - wenn es keine Berufungsverhandlung gegeben hat - bis zum Erlass der Berufungsentscheidung gehalten haben. Die Parteien sind gehindert, im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren mit neuem Vortrag die in den Tatsacheninstanzen gemachten Angaben zum Wert zu korrigieren, um die Wertgrenze des § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zu überschreiten (BGH, Beschluss vom 16.05.2013 - VII ZR 253/12; BGH, Beschluss vom 19.10.2017 - VI ZR 19/17). Der Vortrag in einer späteren Streitwertbeschwerde ist deshalb unbeachtlich (BGH, Beschluss vom 21.06.2017 - VII ZR 41/17 = NJW 2017, 3164, 3165). Konkret bedeutet das:
aa) Beschwer des Klägers
Für den in zweiter Instanz unterlegenen Kläger kommt es auf dessen Angaben zum Wert der Sache in den Vorinstanzen an. Das gilt auch bei einem unbezifferten Zahlungsanspruch unter Angabe eines Mindestbetrages; eine Beschwer besteht in diesem Falle nur, wenn und soweit dieser Mindestbetrag durch den zugesprochenen Betrag unterschritten wurde (BGH, Beschluss vom 31.10.2018 - II ZR 90/17). Maßgebend ist in all diesen Fällen der Vortrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zweiter Instanz (BGH, Beschluss vom 01.03.2016 - VIII ZR 129/15). Hat nämlich das Berufungsgericht den Streitwert für das Berufungsverfahren auf der Grundlage der vom Kläger gemachten tatsächlichen Angaben auf nicht über 20.000,00 € festgesetzt, ist der Kläger gehindert, im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren mit neuem Vortrag die in den Tatsacheninstanzen gemachten Angaben zum Wert zu korrigieren, um die Wertgrenze des § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zu überschreiten (BGH, Beschluss vom 16.05.2013 - VII ZR 253/12; BGH, Beschluss vom 19.10.2017 - VI ZR 19/17).
bb) Beschwer des Beklagten
Für den Beklagten ist zu unterscheiden: Hat er in erster Instanz obsiegt und erst in zweiter Instanz verloren, verhalten sich die Wertfestsetzungen der ersten und zweiten Instanz nur zum Klagebegehren. Dessen Wert entspricht aber nicht stets dem Wert der Beschwer des Beklagten. Da er bei diesem Prozessverlauf keinen Anlass hatte, sich in den Vorinstanzen zu seiner etwaigen künftigen Beschwer zu äußern, kann er nach seiner erstmaligen Beschwer durch das Berufungsurteil zu deren Wert vortragen. Hat er aber bereits in erster Instanz verloren, ist auch er im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren mit Vortrag zu seiner Beschwer ausgeschlossen, den er bereits in zweiter Instanz im Hinblick auf die dortige Wertfestsetzung seiner Berufung hätte halten müssen (BGH, Beschluss vom 15.05.2014 - I ZR 176/13; BGH, Beschluss vom 29.07.2014 - II ZR 73/14).
c) Unterlassungsklagen
Die gleichen Grundsätze gelten bei Unterlassungsklagen – etwa auf dem Gebiet des Wettbewerbs– oder Urheberrechts oder wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts – bei denen das Interesse des Klägers, ein Verbot der angegriffenen Handlung zu erzielen, wertmäßig häufig vom Wert des Interesses des Beklagten, die angegriffene Handlung fortsetzen zu dürfen, abweicht. Wenn der Kläger in diesen Fällen in den Vorinstanzen den Streitwert mit weniger als 20.000,00 € beziffert hat, wird es regelmäßig schwer fallen, wenn nicht gar unmöglich sein, den Bundesgerichtshof davon zu überzeugen, dass die Wertgrenze des § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO überschritten ist (vgl. – für den Fall einer AGB–rechtlichen Unterlassungsklage – BGH, Beschluss vom 17.09.2003 – IV ZR 83/03).
d) Klagen auf Auskunft und Rechnungslegung
Bei Verurteilung zur Auskunft oder Rechnungslegung ist für den Beklagten die Wertgrenze des § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO meist nicht erreicht, weil sich der Wert seiner Beschwer nach dem voraussichtlichen Aufwand für die Auskunftserteilung oder Rechnungslegung bemisst (z.B. BGH, Urteil vom 07.03.2001 – IV ZR 155/00). Etwas anderes gilt dagegen für den Auskunfts– bzw. Rechnungslegungskläger: Ist er mit seinem Begehren abgewiesen worden, entspricht seine Beschwer regelmäßig einem Bruchteil von 1/10 bis zu 1/4 des Anspruchs, auf dessen Durchsetzung sein Auskunfts– oder Rechnungslegungsbegehren zielt (BGH, Beschluss vom 16.12.1987 – IVb ZB 124/87 = NJW–RR 1988, 836, 837).
e) Räumungsklagen
Für Räumungsklagen bei Streitigkeiten über den Bestand eines Mietverhältnisses bestimmt sich der Wert der Beschwer regelmäßig nach dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag der Nettomiete (BGH, Beschluss vom 11.05.2010 - VIII ZA 8/10). Steht demgegenüber die Dauer des Mietverhältnisses fest, wie dies bei einem befristeten oder einem unstreitig wirksam gekündigten Mietverhältnis der Fall ist, bestimmt sich die Beschwer nach § 8 ZPO (BGH, Beschluss vom 13.03.2007 - VIII ZR 2/06).
f) Abtrennbare Teile des Prozessstoffes
Zu Problemen kann die Wertgrenze des § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO schließlich in den Fällen führen, in denen Teile des Prozessstoffes abtrennbar und einer beschränkten Revisionszulassung zugänglich sind. Der BGH hatte früher angenommen, in diesen Fällen müsse die Wertgrenze hinsichtlich des Teils überschritten sein, für den in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 544 Abs. 4 Satz 3 ZPO ein Zulassungsgrund für die Revision geltend gemacht werde (BGH, Beschluss vom 27.06.2002 – V ZB 148/02). Mit Beschluss vom 13.03.2006 (I ZR 105/05) hat der BGH diese Rechtsprechung aufgegeben. Danach kommt es auf die Frage, ob der einzelne Streitgegenstand – aus einer objektiven Klagehäufung –, hinsichtlich dessen ein Zulassungsgrund gegeben ist, einen 20.000,00 € übersteigenden Wert hat, nicht an. Maßgeblich ist vielmehr der Wert der nach dem beabsichtigten Rechtsmittelantrag insgesamt erstrebten Abänderung des angefochtenen Urteils (BGH, Beschluss vom 11.05.2006 – VII ZR 131/05). Es genügt also, dass der Beschwerdeführer eine Nichtzulassungsbeschwerdebegründung vorlegt, die sich mit Teilen des Prozessstoffes befasst, die zumindest addiert einen Wert von mehr als 20.000,00 € ausmachen; das gleiche gilt, wenn Klage und Hilfswiderklage nur zusammengerechnet den Beschwerdewert nach § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ergeben: Dann müssen hinsichtlich beider Klagen Zulassungsgründe dargelegt sein, weil die allein prozessuale Verknüpfung der Klagen für eine Zusammenrechnung nicht ausreicht (BGH, Beschluss vom 01.07.2009 – XII ZR 93/07). Ist in den genannten Fällen diesem formalen Erfordernis Genüge getan, schadet es nicht, wenn der BGH die Nichtzulassungsbeschwerde in weiten Teilen zurückweist und die Revision nur für einen Teil des Prozessstoffes zulässt, dessen Wert 20.000,00 € nicht erreicht.
g) Beschränkte Revisionszulassung und Nichtzulassungsbeschwerde
Hat eine Partei eine vom Berufungsgericht beschränkt zugelassene Revision eingelegt und – soweit das Berufungsgericht die Revision nicht zugelassen hat – eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision erhoben, sind die Werte der zugelassenen Revision und der Nichtzulassungsbeschwerde für die Bestimmung des Wertes der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer im Sinne des § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zusammenzurechnen (BGH, Beschluss vom 04.10.2006 – I ZR 196/05).
3. Sprungrevision
Die Sprungrevision nach § 566 ZPO setzt wegen der dortigen Verweisung auf § 511 Abs. 2 ZPO voraus, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 € übersteigt (BGH, Beschluss vom 01.10.2002 – IX ZR 125/02). Da auch die Sprungrevision eine Zulassung durch den Bundesgerichtshof erfordert (§ 566 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO), gelten für die Wertbemessung bei der Sprungrevision die vorstehenden Ausführungen zur Nichtzulassungsbeschwerde entsprechend.
V. Nichtzulassungsbeschwerde
1. Statthaftigkeit
Hat das Berufungsgericht im Berufungsurteil oder in einem Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO die Revision nicht zugelassen, ist dagegen nach § 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO (gegebenenfalls i. V. m. § 522 Abs. 3 ZPO) die Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof eröffnet. Das gilt nicht in Familiensachen (unten VII.1.).
Wegen der für die Nichtzulassungsbeschwerde geltenden Wertgrenze sei auf die Ausführungen oben unter IV. 2. verwiesen.
2. Zulassungskriterien
Die Nichtzulassungsbeschwerde setzt nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO voraus, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1) oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (Nr. 2).
Von diesen Zulassungsgründen ist der dritte – Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung – in der Praxis des BGH der wichtigste. Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des BGH ist die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, wenn die Vorinstanz bei ihrer Entscheidungsbegründung von einem unrichtigen Obersatz ausgeht, wobei es unerheblich ist, ob dieser Obersatz in ihrem Urteil formuliert worden ist oder nicht (BGH, Beschluss vom 18.03.2004 – V ZR 222/03, S. 6). Gleiches gilt, wenn die mit der Nichtzulassungsbeschwerde angefochtene Entscheidung auf einem grundlegenden Missverständnis des rechtlichen Ansatzpunktes der höchstrichterlichen Rechtsprechung beruht. Ein solches Missverständnis begründet wie das Zugrundelegen eines unrichtigen Obersatzes eine strukturelle Wiederholungsgefahr (BGH, Beschluss vom 08.09.2004 – V ZR 260/03, S. 5; vom 11.05.2004 – XI ZB 39/03, S. 7). Auf dieser Grundlage ist die Nichtzulassungsbeschwerde gegen materiellrechtlich falsche Berufungsurteile gegeben, wenn der Rechtsfehler des Berufungsgerichts auch zu einer im Ergebnis unrichtigen Entscheidung geführt hat (dazu BGH, Beschluss vom 12.02.2004 – V ZR 274/03) und verallgemeinerungsfähig ist. Dieses Kriterium der Verallgemeinerungsfähigkeit eröffnet dem BGH naturgemäß einen erheblichen Interpretationsspielraum.
Der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) liegt ferner dann vor, wenn die angefochtene Entscheidung Verfahrensgrundrechte einer Partei verletzt und die Entscheidung darauf beruht. Darauf, ob dieser Verstoß offenkundig ist, kommt es entgegen der früheren Rechtsprechung insbesondere des XI. Senats des BGH nicht mehr an (BGH, Beschluss vom 11.05.2004 – XI ZB 39/03, Seite 8/9). Auf diese Weise können auch gravierende Verfahrensverstöße wie beispielsweise Gehörsverletzungen mit der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO gerügt werden; für Gehörsverletzungen ergibt sich dies nunmehr mittelbar aus dem durch das Anhörungsrügengesetz eingefügten neuen Abs. 7 des § 544 ZPO. Der Tatbestand der Gehörsverletzung geht dabei über das schlichte Übersehen von entscheidungserheblichem Vorbringen einer Partei hinaus; er erfasst auch eine Reihe sonstiger Verfahrensfehler.
Schließlich ist die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, wenn die angefochtene Entscheidung auf einer Verletzung des Willkürverbots beruht. Das Willkürverbot ist bei einer fehlerhaften Rechtsanwendung verletzt, die sachlich schlechthin unhaltbar ist, weil sie unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar erscheint und sich deshalb der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht (BGH, Beschluss vom 07.10.2004 – V ZR 328/03, S. 6). Damit kann beispielsweise auch eine grob fehlerhafte Vertragsauslegung revisionsgerichtlicher Kontrolle zugeführt werden.
Der BGH interpretiert die Zulassungsregelung des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO mithin in einer Weise, die ihm auch die bloße Korrektur fehlerhafter Berufungsurteile ermöglicht. Es erstaunt deshalb nicht, dass im Schnitt 80 % aller vom BGH zugelassenen und sachlich verbeschiedenen Revisionen auch Erfolg haben.
3. Zulassungspraxis
Die Zulassungsquote von nur 10-15% liegt knapp unter der "Annahmequote" der Annahmerevision des bis zum 31.12.2001 geltenden Verfahrensrechts; seinerzeit war aber die Zahl der vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen deutlich niedriger als heute.
VI. Rechtsbeschwerde
Nach § 574 Abs. 1 ZPO ist die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof statthaft, wenn dies entweder im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist (Nr. 1) oder das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie im anzufechtenden Beschluss zugelassen haben (Nr. 2). Ergibt sich die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde aus dem Gesetz (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), dann ist die Rechtsbeschwerde aber gleichwohl nur „zulässig“, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 ZPO). Mit dieser Regelung besteht ein Gleichlauf zwischen Revision und Rechtsbeschwerde: In beiden Fällen ist die Zulassung des Rechtsmittels durch das Ausgangsgericht für den Bundesgerichtshof als Revisionsgericht bindend; fehlt es an dieser Zulassung, so entscheidet der Bundesgerichtshof im Falle der Revision im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 544 ZPO, im Falle der Rechtsbeschwerde durch die „Zulässigkeitsentscheidung“ nach § 574 Abs. 2 ZPO, ob er sich der Sache annehmen will.
Ein Unterschied zur Nichtzulassungsbeschwerde/Revision besteht in zwei Punkten: Für die Rechtsbeschwerde gilt die Wertgrenze des § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht. Des weiteren ist die Rechtsbeschwerde ohne Zulassung durch das Ausgangsgericht nur in den Verfahren statthaft, für die dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist. Das ist – um eine wichtige Fallgruppe zu nennen – in vollstreckungsrechtlichen Streitigkeiten – einschließlich der Verfahren nach § 890 ZPO und ZVG–Sachen – nicht der Fall. Daher kann – etwa – in wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten die Entscheidung über Ordnungsgeld oder Ordnungshaft nach § 890 ZPO nur dann mit der Rechtsbeschwerde angegriffen werden, wenn sie vom Ausgangsgericht zugelassen worden ist.
Für die Rechtsbeschwerden auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes (oben I. 4.) gelten Sonderregelungen, von deren Vorstellung ich hier absehe.
Wegen der Rechtsbeschwerde in Familien- und FamFG-Sachen sei auf den nachstehenden Abschnitt VII. verwiesen.
VII. Familiensachen und andere FamFG-Sachen
1. Familiensachen
In Familiensachen setzt der Zugang zum Bundesgerichtshof grundsätzlich die Rechtsmittelzulassung durch das Ausgangsgericht voraus. Das ergibt sich für Verfahren, die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit am 01.09.2009 eingeleitet worden sind, aus Art. 111 jenes Gesetzes in Verbindung mit § 26 Nr. 9 EGZPO, für später eingeleitete Verfahren aus § 70 Abs. 1 FamFG. Es gibt zwei Ausnahmen: Zulassungsfrei ist zum einen die Sprungrechtsbeschwerde nach § 7 FamFG, bei der die Beschwerdeinstanz übergangen wird; sie setzt indes die Einwilligung des Prozessgegners voraus. Zulassungsfrei ist zum anderen auch die Rechtsbeschwerde in den Fällen, in denen das Gericht der sofortigen Beschwerde die sofortige Beschwerde als unzulässig verworfen hat, § 117 Abs. 1 Satz 4 in Verbindung mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO; entsprechendes gilt für "Altverfahren" (Nichtzulassungsbeschwerde bzw. Rechtsbeschwerde, §§ 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO, 26 Nr. 9 EGZPO). Auch in Familiensachen findet die Anschlussrechtsbeschwerde statt; für sie gelten die Ausführungen unten unter VIII. 1. entsprechend mit der Ausnahme, dass die Monatsfrist in Familiensachen keine Notfrist ist.
2. Sonstige FamFG-Sachen
Für sie gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend, mit der Ausnahme allerdings, dass die Rechtsbeschwerde in Betreuungssachen, Unterbringungssachen sowie Freiheitsentziehungssachen auch ohne Zulassung durch das Beschwerdegericht stattfindet.
VIII. Anschlussrechtsmittel
Für die echten, nämlich unselbständigen Anschlussrechtsmittel, also die Anschlussrevision und die Anschlussrechtsbeschwerde, gelten folgende Besonderheiten:
1. Anschlussrevision
Der Revisionsbeklagte kann sich der Revision durch Einreichung einer Anschlussrevisionsschrift beim Bundesgerichtshof anschließen, und binnen dieser Frist auch zu begründen, § 554 Abs. 2 und 3 ZPO, und zwar auch dann, wenn die Revision nicht zu seinen Gunsten zugelassen worden ist (BGH, Beschluss vom 23.02.2005 – II ZR 147/03). Die Anschließung ist bis zum Ablauf eines Monats nach der Zustellung der Revisionsbegründung zu erklären und innerhalb dieser Frist auch zu begründen. Die Frist für die Anschlussrevision und damit auch für die Anschlussrevisionsbegründung kann nicht verlängert werden. Aus diesem Grunde empfiehlt es sich für den Revisionsbeklagten, der durch die im Revisionsverfahren angefochtene Entscheidung beschwert ist, unverzüglich nach Zustellung der Revisionsbegründung einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt mit der Anschlussrevision zu mandatieren, wenn er die Entscheidung der Vorinstanz, soweit zu seinem Nachteil ergangen, gleichfalls anfechten möchte.
Wird die Revision auf eine Nichtzulassungsbeschwerde hin zugelassen, beginnt die Frist für die Anschlussrevision ebenfalls mit Zustellung der Revisionsbegründung, die dort allerdings meist in einem "Bezugnahmeschriftsatz" (§ 551 Abs. 3 Satz 2 ZPO) besteht.
2. Anschlussrechtsbeschwerde
Gemäß § 574 Abs. 4 ZPO kann sich der Rechtsbeschwerdegegner bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichung der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen. Diese Notfrist gilt dabei auch für die Begründung des Rechtsmittels. Anders als bei der Rechtsbeschwerde selbst kann deshalb bei der Anschlussrechtsbeschwerde die Frist zur Begründung des Rechtsmittels nicht verlängert werden. Aus diesem Grunde sollte derjenige, der in einem Rechtsbeschwerdeverfahren Rechtsmittelgegner und selbst durch die angefochtene Entscheidung beschwert ist, unverzüglich nach Zustellung der Rechtsbeschwerdebegründungsschrift einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt mit der Anschlussrechtsbeschwerde beauftragen, wenn er die Entscheidung der Vorinstanz ebenfalls anfechten möchte. Wegen der Besonderheiten der Anschlussrechtsbeschwerde in FamFG-Sachen vgl. oben VII. 1.
IX. Fristen
Revision und Sprungrevision: | 1 Monat; beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Berufungsurteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung, § 548 ZPO. | |
Nichtzulassungsbeschwerde: | 1 Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils, § 544 Abs. 1 Satz 2 ZPO. | |
Rechtsbeschwerde: | 1 Monat nach Zustellung des angefochtenen Beschlusses, § 575 Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 71 Abs. 2 FamFG. | |
Anschlussrechtsmittel: | siehe oben unter VII. 1. und VIII. |
X. Verwerfung der Berufung oder der sofortigen Beschwerde in Familiensachen als unzulässig
Die Verwerfung der Berufung als unzulässig kann nach § 522 Abs. 1 ZPO entweder durch Beschluss oder durch Urteil ergehen. Erfolgt sie durch Beschluss, ist dagegen gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO die Rechtsbeschwerde eröffnet, und zwar unabhängig von der Wertgrenze des § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO (BGH, Beschluss vom 04.09.2002 – VIII ZB 23/02). Erfolgt die Verwerfung durch Urteil, so ist dagegen das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde statthaft, und zwar wegen 544 Abs. 2 Nr. 2 ZPO auch dann, wenn die ansonsten für die Nichtzulassungsbeschwerde geltende Wertgrenze von 20.000,00 € nicht überschritten ist. In Familiensachen eröffnet § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG in Verbindung mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO im Falle der Verwerfung einer sofortigen Beschwerde in einer Familiensache nach dem FamFG die Rechtsbeschwerde.
Für den Erfolg der jeweiligen Rechtsmittel nach der ZPO – also der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde - gegen die Verwerfung einer Berufung als unzulässig kommt es darauf an, ob die Sache grundsätzliche Bedeutung hat oder Fragen der Rechtsfortbildung aufwirft oder eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1, § 574 Abs. 2 ZPO). Der BGH legt diesen Zulassungsgrund großzügig aus, weil die unrechtmäßige Verwerfung einer Berufung als unzulässig den Zugang zu dem von der Zivilprozessordnung eingeräumten Instanzenzug verwehrt und damit den Anspruch des Rechtsmittelführers auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) sowie auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt (BGH, Beschluss vom 23.10.2003 - V ZB 28/03, S. 4). Für die nach § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG in Verbindung mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde gelten die sich aus § 574 Abs. 2 ZPO ergebenden Einschränkungen nicht. Praktisch hat dies aber keine Bedeutung, nachdem der BGH in jeder unrechtmäßigen Verwerfung eines Rechtsmittels als unzulässig eine Verletzung des Anspruchs des Rechtsmittelführers auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes sowie auf Gewährung rechtlichen Gehörs sieht.
XI. Prozesskostenhilfe / Verfahrenskostenhilfe
Bei allen Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die §§ 114 ff. ZPO über die Prozesskostenhilfe; für die Verfahren nach dem FamFG ergibt sich dies - mit geringfügigen Modifikationen - aus den §§ 76 FamFG. Die Prozesskostenhilfe heißt dort Verfahrenskostenhilfe. Im nachfolgenden Text ist einheitlich von Prozesskostenhilfe die Rede.
1. Verfahren
Die Gewährung von Prozesskostenhilfe setzt einen Antrag voraus. Dem Antrag ist nach § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO eine Erklärung des Antragstellers über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen beizufügen. Dazu gibt es ein Formular, das bei sämtlichen Gerichten, im gut sortierten Schreibwarenhandel und über Internet erhältlich sind.
2. Voraussetzungen
Erfüllt der Antragsteller die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe, so wird ihm Prozesskostenhilfe gewährt, wenn er der Rechtsmittelgegner ist oder wenn die Vorinstanz sein Rechtsmittel wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat. Ersteres ergibt sich aus § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO, letzteres aus der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass Grundsatzfragen nicht im Verfahren über die Gewährung von Prozesskostenhilfe geklärt werden dürfen. In allen anderen Fällen kommt es darauf an, ob der BGH dem vom Prozesskostenhilfeantragsteller beabsichtigten Rechtsmittel Erfolgsaussichten beimisst. Dies hat der BGH von Amts wegen zu prüfen. Gleichwohl empfiehlt es sich, ihm die Gründe für die Erfolgsaussicht des beabsichtigten Rechtsmittels darzulegen. Dies deshalb, weil bei der Amtsprüfung der Erfolgsaussichten durch den BGH Verfahrensfehler der Vorinstanz außer Betracht bleiben, wenn sie im Prozesskostenhilfeverfahren nicht ausdrücklich gerügt worden sind.
3. Anwaltszwang?
Für das Prozesskostenhilfeverfahren besteht auch vor dem BGH kein Anwaltszwang. Gewährt der BGH Prozesskostenhilfe, muss er der betroffenen Partei einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt beiordnen.
4. Prozesskostenhilfeantrag und Rechtsmitteleinlegung?
Wer das Rechtsmittelverfahren vor dem BGH nur auf der Grundlage der Gewährung von Prozesskostenhilfe durchführen kann, sollte davon absehen, zeitgleich mit dem Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe auch das Rechtsmittel einzulegen. Die Rechtsmitteleinlegung löst nicht nur Gerichtsgebühren aus, sondern berechtigt auch den Gegner, seinerseits einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt zu beauftragen; wird das Rechtsmittel sodann infolge der Verweigerung der Prozesskostenhilfe zurückgenommen, steht dem Gegner gegen den Prozesskostenhilfeantragsteller ein Kostenerstattungsanspruch zu. Eine mit dem Prozesskostenhilfeantrag einhergehende Rechtsmitteleinlegung macht deshalb nur Sinn, wenn das Rechtsmittel gegebenenfalls auch ohne Gewährung von Prozesskostenhilfe durchgeführt werden soll und die vorhandenen Geldmittel jedenfalls ausreichen, den eigenen BGH-Anwalt zu bezahlen.
XII. Gebühren des BGH-Anwalts
Für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde fällt eine Gebühr von 2,3 (RVG Anlage 1 Nr. 3508) an, gleiches gilt für die Revision (RVG Anlage 1 Nr. 3208). Die Gebühr für das Revisionsverfahren fällt nach § 16 Nr. 13 RVG nicht an, wenn die Revision auf die Nichtzulassungsbeschwerde hin zugelassen wird. Für die mündliche Verhandlung fällt eine Gebühr von 1,5 an (RVG Anlage 1 Nr. 3210). Im Verfahren über die Rechtsbeschwerde erhält der BGH–Anwalt eine Gebühr von 1,0 (RVG Anlage 1 Rz. 3502 ); in Familien– und Lebenspartnerschaftssachen, in Anerkennungsverfahren, in Vollstreckbarerklärungs– und Klauselerteilungsverfahren, in Landwirtschaftssachen, in Verfahren nach dem WpÜG, WpHG, GWB, in Musterklageverfahren und in Verfahren gegen Entscheidungen des BPatG beträgt die Gebühr 2,3 (RVG Anlage 1, Vorbem. 3.5 i.V.m. Vorbem. 3.2.1 Abs. 1 und 2 i.V.m. Vorbem. 3.2.2. i.V.m. Nr. 3208). Für die Rechtsbeschwerde im Verfahren über die Vollstreckbarerklärung eines inländischen Schiedsspruchs beträgt die Gebühr 1,3 nach Nr. 3100 in Verbindung mit Vorbemerkung 3.1 Abs. 2 RVG Anlage 1. Die Gebührenhöhe richtet sich nach dem Gegenstandswert. Die genannten Gebühren können in Einzelfällen Modifikationen unterliegen; von deren Schilderung sehe ich hier ab, ebenso von der Schilderung der für die übrigen FamFG-Rechtsbeschwerden anfallenden Gebühren.
XIII. Was tue ich für Sie?
Als Anwalt beim Bundesgerichtshof biete ich Ihnen alle Anwaltsdienstleistungen an, die für ein Rechtsmittelverfahren vor dem BGH erforderlich sind.
Werde ich mit der Rechtsmitteleinlegung beauftragt, lege ich das Rechtsmittel ein und fordere die Gerichtsakte an, die ich zur Fallbearbeitung benötige. Die Gegenseite bitte ich, von der Mandatierung eines BGH–Anwaltes abzusehen, solange nicht feststeht, ob das von mir betreute Rechtsmittel überhaupt durchgeführt wird. Auf diese Weise können Gegnerkosten erspart werden, die anfallen und ihm zu ersetzen sind, wenn er gleich nach Beginn eines Rechtsmittelverfahrens vor dem BGH seinerseits einen BGH–Anwalt mandatiert und der Rechtsmittelführer das Rechtsmittel später zurücknimmt. Das Zuwarten mit der eigenen Mandatierung eines BGH–Anwalts bis zur Vorlage der Rechtsmittelbegründung des Rechtsmittelführers ist für den Gegner mit Nachteilen nicht verbunden, weil sein BGH–Anwalt für ihn bis dahin ohnehin nichts tun kann.
Spätestens bei Eingang der Gerichtsakte stelle ich meine Kostenvorschussnote. Sobald sie ausgeglichen ist, nehme ich mich der Sache an. Ich erstelle ein Gutachten zu den Erfolgsaussichten des Rechtsmittels; wenn ich Erfolgsaussichten sehe, fertige ich sogleich die Rechtsmittelbegründung. Gutachten und gegebenenfalls Rechtsmittelbegründungen übermittle ich dem Mandanten in der Regel ein bis zwei Monate vor Ablauf der Rechtsmittelbegründungsfrist, es bleibt also stets ausreichend Zeit, die Angelegenheit gemeinsam zu besprechen.
Der BGH kann als Revisionsgericht in Zivilsachen seine Aufgaben - die Klärung grundsätzlicher Rechtsfragen, die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und die Fortbildung des Rechts - angesichts der Breite des Stoffs und der hohen Zahlen von Fällen sachgerecht nur erfüllen, wenn die Parteien in Zivilsachen vor dem Revisionsgericht durch eine begrenzte Zahl besonders qualifizierter Rechtsanwälte vertreten werden, die über die notwendige innere und äußere Unabhängigkeit verfügen, um die Durchführung aussichtsloser Rechtsmittelverfahren abzulehnen (BGH, Urteil vom 05.12.2006 - AnwZ 2/06 - Rz. 17). Diese Filterfunktion des BGH-Anwaltes liegt auch im Interesse des Mandanten, der von der Durchführung eines aussichtslosen Rechtsmittels nichts hat. Ich nehme diese Filterfunktion ernst. Für die Durchführung von mir als aussichtslos erkannter Rechtsmittel stehe ich nur nach ausdrücklicher Absprache und nur bei Vorliegen von Gründen, die sie im Interesse des Mandanten ausnahmsweise rechtfertigen, zur Verfügung.